Klischees im Karneval

Dreigestirn oder Prinzenpaar?

Der Karneval beginnt in beiden Städten offiziell am 11.11. um 11 Uhr 11. Hat jemand also an diesem Tag Geburtstag, kann man ihm herzliches Beileid aussprechen. Kein Schwein wird in Erwägung ziehen, sich in eine überfüllte KVB-Bahn zu zwängen, um mit jemandem anzustoßen. Dann lieber gleich in die nächste Kneipe oder auf dem Alten Markt oder am Rathaus.

Karneval in Köln

Das Dreigestirn hat eine lange Geschichte. Seit 1833 gibt es dieses berühmte Männer-Trio mit dem Namen: Kölner Dreigestirn. Der wichtigste Mann ist der Prinz, der bis zum Jahr 1872 "Held Carneval" heißt. Er steht für den Karneval und trägt eine Krone mit dem charakteristischen Pfauenschweif und einen Purpurmantel.

Der Bauer ist erstmals 1825 auf einem Rosenmontagszug zu sehen und setzt sich in den 1870er Jahren endgültig durch. Ein Schwert und ein Dreschflegel symbolisieren seine Bodenständigkeit und seinen Willen, Köln zu verteidigen.

Die Jungfrau trägt eine Krone, die an Mauerzinnen erinnert und damit für die Wehrhaftigkeit der Stadt steht. Die Jungfrau ist natürlich Jungfrau und soll damit zusätzlich unterstreichen, dass die Stadt uneinnehmbar ist. Wie so oft ist die Frau Trägerin von irgendwas, was ihr selbst nicht zugesprochen wird. In diesem Fall also Autonomie. Zu allem Überfluss wurde ihr auch noch der Spaß an dem ganzen Theater nicht gegönnt. Die Jungfrau ist keine Frau, sondern ein Mann. In Frauenkleidern. Lediglich in der Nazizeit ab 1937 durften, vielmehr mussten, es Frauen sein, die in die "Jungfrau"-Rolle und in die Frauen-Verkleidung schlüpften.

Der Nubbel wird verbrannt als Sündenbock für das verprasste Geld. Unter anderem. Nur soviel: Ein Bekannter eines Bekannten soll gesagt haben, "Karneval ist, wenn man einige Tage lang nicht mehr verheiratet ist".

"D'r Zoch kütt" (und für alle, die die Übersetzung tatsächlich immer noch nicht kennen - das soll es ja geben - "Der Zug kommt") kann man immer sagen. Die wohl meiststrapazierteste kölsche Floskel, die immer gut kommt. Billig, sitzt aber immer!

Stunksitzung seit 1984: Als Gegenmodell zum traditionellen Sitzungskarneval konzipiert, ist sie selbst mittlerweile karnevalistisches Establishment. Aus ihr ist Jürgen Becker hervorgetreten, der sich als feste Kabarett-Größe etabliert hat. Will man sich als Insider geben und/oder jemand beeindrucken, besorgt man sich frühzeitig Karten für die Sitzung.

Geisterzug

Geisterzug in Köln-Rodenkirchen. Foto: Mutante

Geisterzug: Fester Bestandteil des kölschen Karnevals. Von "alternativen" Karnevalisten 1991 wieder ins Leben gerufene Tradition, die ihre Ursprünge im beginnenden 19. Jahrhundert hat. Der Geisterzug wird von hässlichen und fratzenhaften Masken beherrscht. Aktuell wird der Geisterzug unter ein Motto gestellt. 2006 war das Thema die Persiflage von "Du bist Deutschland", der Kampagne der Bundesregierung. Der Zug wäre fast wegen Geldmangels ausgefallen, wenn nicht die Stadt und die Polizei selbst darum gebeten und diesen unterstützt hätten, aus Angst vor unangemeldeten, "wilden" Geisterzügen.

Und wann ist der "Zoch" ausgefallen?: Alle Karnevalszüge waren seit Kriegsbeginn 1939 in ganz Deutschland untersagt. Zwei Jahre nach dem Krieg, 1947, startete der erste Rosenmontagszug. Und 1991 sagte das Festkomitee Rosenmontags- und Veedelszüge sowie alle Veranstaltungen unter freiem Himmel wegen des Golfkrieges ab.

Lesetipp: Carl Dietmar und Marcus Leifeld: "Alaaf und Heil Hitler: Karneval im Dritten Reich", Verlag F. A. Herbig, München 2010.

Karneval in Düsseldorf

Der Hoppediz setzt sich auf das Pferd Jan Wellems, dem bekannten Denkmal des damaligen Kurfürsten auf dem Marktplatz vor dem Rathaus, und eröffnet mit einer bissigen Rede die neue Session. Der Ironie des Hoppediz kontert der jeweilige Oberbürgermeister. Die Figur kommt ursprünglich vom Niederrhein und ist eine Mischung aus Till Eulenspiegel und Hanswurst. Der Hoppediz ist vom Berühmtheitsgrad her das Pendant zum Nubbel, wenngleich er nicht als Sündenbock fungiert, sondern als Berufs-Narr den Gedanken des Karnevals personifiziert. Er knüpft wohl an die Tradition des Hofnarren an. Mit dem Ruf "Hoppediz erwache!" wird er am 11.11.zum Leben erweckt. Manchmal wird er auch wie der Nubbel verbrannt, manchmal zu Grabe getragen.

Der Tuntenlauf auf der Kö findet seit 1995 in Zusammenarbeit des Comitee Düsseldorfer Carneval mit Heartbreakers, dem Förderverein der Düsseldorfer Aidshilfe, statt. Nach eigener Darstellung ist es das "schrägste Spektakel" der Session.

Das Prinzenpaar: Der Düsseldorfer Karneval bietet als Besonderheit das Prinzenpaar, was aus dem Prinzen und einer Prinzessin besteht, die auch eine Frau sein darf. Also die Prinzessin ist eine Frau!

Ursprung: Bereits Jan Wellem hat Ende des 17.Jahrhunderts ein "Gipfel der Fröhlichkeit" verordnet. Inspiriert wurde er durch seine zweite aus der Toskana stammende Frau, die den Trend der italienischen Maskenbälle am Rhein setzte.

Der "Zog": In den ersten Jahrzehnten hatten die Düsseldorfer viel nachzuholen, was Organisation und Ausführung des Zuges angeht.

Ordnung à la Köln: Erst 1825 wurde nach Kölner Vorbild ein "festordnetes Komitee" gegründet, welches "Ungehörigkeiten" vermeiden sollte. Da der gemeine Düsseldorfer einen "hervorragenden Drang zu Ergötzungen" hat und mit "einem gewissen Leichtsinn" behaftet ist, war ihm wohl auch nicht anders zu helfen.

Gemeinsamkeiten:

Frauen und Karneval: Frauen haben beim Karneval in beiden Städten wenig zu melden. Wie Wolfgang Hippe in seinem Buch "Alaaf und Helau" so treffend formuliert: "Alles in allem spielen die Frauen im organisierten Karneval die Rolle, die Papst Benedikt XVI.('Wir sind Papst') jüngst den Frauen in der katholischen Kirche zugewiesen hat: Die Kirche ist nicht frauenfeindlich, im Gegenteil sie achtet die Frau. Sie darf sich nützlich machen und ihre Qualifikationen und Qualitäten im Hintergrund einbringen, das belebt das Geschäft. Aber mitbestimmen und offiziell Verantwortung übernehmen ist ihr 'aus der Tradition heraus' versagt. Während der Papst immerhin glaubt, sich auf Gottes Wort berufen zu können, reichen den Traditionskarnevalisten ihre Satzungen."

Karnevalsumzug Düsseldorf

Motivwagen aus dem Düsseldorfer Karnevalsumzug 2007. Foto:Tilly

Karneval im "Dritten Reich": Auch während der Nazi-Zeit haben sich nur wenige Menschen im Kontext des Karnevals durch Opposition hervorgetan. Im Bereich des offiziellen Karnevals gab es eigentlich nur einen, der deutliche öffentliche Kritik am Nationalsozialismus übte, Karl Küpper. Er, der von 1927 an als "Der Verdötschte" in der Bütt stand, lernte dadurch die Verhörmethoden der Nationalsozialisten kennen.

Küpper war an den Rand der Bütt gesprungen und hatte die Hand zum "Hitlergruß" gehoben. Als dann die ersten den Gruß erwidern wollten, rief Küpper "Nää! nää! So hu litt bei uns dr Dreck em Keller". Er war auch einer der wenigen, der im offiziellen Karneval in den 50er Jahren noch einmal Bezug auf die vergangenen Jahre nahm, so z.B.: "Grüß Gott! Fröher heß dat Heil Hitler! Dat is dasselbe - kein Unterschied. Kürt alles aus Bayern" (Michael Euler-Schmidt: "175 Jahre ... und immer wieder Karneval." Herausgeggeben vom Festkomitee des Kölner Karnevals von 1823 e.V., Köln, 1997.)

Immerhin halten die Karnevalsfunktionäre offiziell nicht mehr an der Widerstandslegende fest. Man stelle sich vor, 1934 fuhren in Köln - nachdem die Nazis seit 1933 zum Boykott jüdischer Geschäfte aufgerufen hatten - Karnevalisten als Juden kostümiert auf einem "Palästina"-Wagen mit, auf dem der Spruch "Die letzten ziehen ab" zu lesen war!

www.verfreundete-nachbarn.de