Ein kölsche Mädche in Düsseldorf

Sabine Temme sitzt am Küchentisch direkt am Fenster mit Blick auf den grünen Garten. Sie ist eigentlich ein "kölsche Mädche", die ersten 25 Jahre ihres Lebens hat sie dort gelebt. Sie ist geboren und aufgewachsen in Nippes (Stadtteil von Köln, Anm. d. Red.). Auch hat sie dort studiert und ihren Mann kennengelernt. Nach einer Zwischenstation in Bielefeld zog sie schließlich aus beruflichen Gründen mit ihrer Familie nach Düsseldorf.

Vor dem Fenster zwitschert eine Kohlmeise und bedient sich gerade an dem Futternetz, das von der Hausdame im Baum befestigt worden ist. "Was ich schade finde ist, dass hier in Düsseldorf kaum Platt gesprochen wird. In Köln wird das noch gepflegt. Das hat man in Köln so garantiert und wenn man in einem Laden ist, wo es ein bisschen familiär zugeht, wird kölsch gesprochen. Bei Urdüsseldorfern gibt's das auch. Aber das muss man suchen. So alltäglich finde ich das nicht." Die Mitfünfzigerin trägt ein sommerliches, korallenfarbenes Baumwollkleid, das ihre kurzen, rotblonden Haare und ihre blasse Haut unterstreicht.

Ob sie denn auch Düsseldorfer Platt spreche. "Nein. Ich kann das auch nicht nachmachen", sagt sie und schiebt dabei ihre Brille zurück, die wegen des abgesetzten oberen dunkleren Randes an die 60er Jahre erinnert. "Wenn etwas so nah verwandt ist, dann weiß man gar nicht, kommt hier ein 'k' oder 'ch-Laut' hin. Das weiß ich einfach nicht, also ich hör das immer, wenn jemand redet, dann merk ich sofort, aha, der spricht Düsseldorfer Platt".

Nach einer Pause erinnert sie sich weiter "Obwohl: In meiner Kindheit war das verpönt, Kölsch zu sprechen." Sabine Temme grinst über das ganze Gesicht. "Nur die Prolls sprachen ja Kölsch." Sie winkt mit dem Arm ab und lacht laut, als ob sie im Nachhinein ihre Äußerung als ironisch kenntlich machen wollte. "Da gehörte man ja nicht dazu. Aber in der Grundschule hatten wir auch kölsche Literatur. Es gibt so ein Gedicht, das heißt 'Jan von Werth', das haben wir sogar auswendig gelernt."

Fahrkarte

Foto: MW

Sabine Temme konzentriert sich, während sie die Stirn runzelt und fixiert einen imaginären Punkt an der Wand ihrer Wohnküche. "Was unterscheidet die beiden Städte? Das sind so atmosphärische Eindrücke." Sie hält inne, um dann mit gelöstem Ausdruck fortzufahren und auf ihre Frage selbst zu antworten. "Viel. Das sind zwei grundverschiedene Städte. Köln ist eine alte Stadt. Ich meine, 2000 Jahre lasten auf dieser Stadt. Schon die Römer waren da. Und vorher schon: alte Siedlung." Mit beiden Händen winkt sie ab, als ob sie klarstellen will, dass es da nichts hinzuzufügen gibt. "Düsseldorf ist eine moderne Stadt. Leider weiß ich nicht so viel über die Stadt." Sie lacht und hält sich kurz die Hand vor den Mund. "Außer Kaiserswerth (Stadtteil von Düsseldorf, Anm. d. Red.) , das gibt es schon sehr lange. Das hat interessante Geschichte." Sie legt den Kopf zur Seite und fährt fort: "Und irgendwie größer, von der Architektur her. Wenn ich mir überlege, die Ringe zum Beispiel, so was gibt es hier in Düsseldorf einfach nicht. Oder die ganzen Kirchen, die romanischen, die gibt es hier nicht. Aber beide Städte sind sehr der Kunst zugetan. Was den Kunstmarkt angeht, und die Museen, also das moderne Leben, sind beide Städte sehr offen."

Während sie spricht, spielt sie mit einem kleinen Papierkügelchen, was sie mit den Fingerspitzen hin und her rollt. "Und Düsseldorf beschreibt sich ganz gern als Klein-Paris oder Modestadt. Für die High Society. Und für die reichen Araber, die hier ihre Juwelen kaufen." Ihre Stimme erhebt sich "Oder so Fußballstars, die sich hier dann ansiedeln in Oberkassel. Raúl - die Frau von Raúl wurde schon in Flingern (Stadtteil von Düsseldorf, Anm. d. Red.) gesichtet bei einem bestimmten Friseur." Sabine Temme grinst breit und hält inne. "Da sind die Düsseldorfer dann stolz drauf, wenn man das dann in der Rheinischen Post liest. Oder dass die stolz darauf sind, dass der Anstieg der Touristenströme höher ist als in Köln." Wie eine Dirigentin bewegt sie beide Unterarme beim "höher" nach oben und auch ihre Stimme geht nach oben.

"Also der Vergleich ist immer da, jeden Tag". Ihre Körperspannung erhöht sich. Sie sitzt aufrechter als eben und mit tiefer Stimme, wie wenn sie eben auf eine Theaterbühne getreten wäre: "Also eigentlich ist Köln ja so `ne piefige Provinz. Die sind dann zu doof, um Häuser oder ne U-Bahn zu bauen. Da stürzen dann die Archive ein".

Auf die Frage, ob sie Köln vermisse, antwortet sie. "Nein, ich bin hier verwurzelt." Und fügt schnell hinzu "Köln ist mir einfach vertraut. Wenn ich da bin, denk ich oft, 'Hach, hier bin ich zuhause.'" Sie zieht die rechte Augenbraue hoch, hebt den Zeigefinger und ergänzt: "Obwohl ich mittlerweile ja länger in Düsseldorf lebe, 28 gegenüber 25 Jahren, die ich in Köln gelebt habe."

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